MCS – Alles nur psychisch?

MCS (multiple chemical sensitivity) und die Psyche.

Viele, die von der Krankheit MCS betroffen sind, suchen schon seit Jahren nach dem Schlüssel ihres Problems in der Hoffnung, eine Lösung zu finden. Dabei stossen sie auch immer wieder auf die Frage, welche Rolle die Psyche dabei spielt. Leider ist der Begriff «psychisch» in unserer Gesellschaft sehr negativ belastet. Nicht selten bekommen Betroffene zu hören, die Krankheit sei reine Kopfsache oder aber, sie gelangen an Ärzte, die, wenn sie nicht mehr weiterwissen, alle Symptome auf die Psyche schieben, ohne wirklich über das Wissen dieses komplexen Krankheitsbilds einer Multisystemerkrankung zu verfügen. Das ist dann oft auch der Grund, warum sich Betroffene wehren, das Thema Psyche im Zusammenhang mit der MCS genauer anzuschauen. Ich habe es getan.

MCS ist definitiv nicht psychisch in dem Sinn, dass wir als «eingebildete Kranke» zu sehen sind, die freiwillig ein Dasein fristen, das weit weg vom normalen Leben ist, in dem sie auf so Vieles verzichten müssen.

Was man aber an psychischen Ereignissen in Form von durch gemachten Traumata erlebt hat, kann Spuren hinterlassen. Solche Ausnahmesituationen, vor allem wenn sie gehäuft und immer wieder vorkommen, richten massive Schäden in unserem Körper an. Traumata wirken sich früher oder später auf unsere Organe aus, denn sie verkürzen z.B. die Telomere und schränken dadurch die Entgiftungsfunktion stark ein. Das Thema Traumata sollte also auch in Betracht gezogen werden, wenn man von «Vergiftungen» spricht, um zu erfahren was da mit einem geschieht oder geschehen ist. Es sind über Jahrzehnte andauernde seelische wie auch körperliche Vergiftungen, die das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen, bis nichts mehr geht. Einerseits ist die Entgiftungsfunktion des Körpers durch Traumata empfindlich gestört, andererseits nimmt die Belastung durch schädliche Umwelteinflüsse z.B. Pestizide/Chemikalien in der Nahrung und im Trinkwasser, Schwermetalle in der Atemluft, Mobilfunkstrahlung usw. zu und belastet/ blockiert den Organismus.

Wie sieht es für MCS-Betroffene mit dieser Erkenntnis dann aber im Alltag aus?

«Menschen beginnen in dem Moment zu heilen, in dem sie sich gesehen und verstanden fühlen» (Verena König, Traumatherapeutin)
Die Podcasts von Verena König auf YouTube sind Balsam für geschundene Seelen; wohltuend das Verständnis, klar die Sprache und einfühlsam die «Ratschläge», die dann eben keine Schläge sind. Ich kann diese Videos von Verena König zum Thema Traumata nur empfehlen.

Doch was, wenn man erkennt, dass die Traumata, den Körper schon dermassen geschädigt haben, dass nichts mehr geht? Was wenn man sich umfassend informiert hat, wissend und belesen ist, immer wieder zu sich selbst sagt: «es muss was passieren», und man immer wieder resigniert feststellt, dass man gefangen ist in einer Situation, die so wenig Spielraum zulässt, dass einem nur noch Schadensbegrenzung bleibt?

Man weiss heute, dass Traumata die DNA verändern (Umweltmediziner Dr. Harald Banzhaf im unten verlinkten Video). Nicht nur selbst erlebte Traumata haben Einfluss auf unser Leben, auch die traumatischen Erlebnisse unserer Vorfahren werden an uns weiter gegeben. Das kann schwere Schäden im Körper anrichten: Verkürzung der Telomere! Einschränkung der Entgiftungsfunktion!

Und wie geht es Menschen die so umfassend geschädigt sind psychisch? Natürlich geht es ihnen nicht gut. In diesem Dilemma wäre es aber erst recht hilfreich, «gesehen und verstanden zu werden», um zumindest die Auswirkungen zu mildern und/oder mit Ausfüllen der Mankos (Annahme statt Ablehnung/Wohlwollen statt Abwertung, Verständnis statt Rücksichtslosigkeit usw.) eine Verbesserung seines Zustandes zu erreichen. Aber genau das Gegenteil ist der Fall.

Als eine, die unter einer schweren Multisystemerkrankung leidet (MCS = multiple chemical sensitivity), dadurch in körperliche, seelische und auch finanzielle Not geraten ist, weil man mit dieser Krankheit noch mehr Ablehnung/Ausgrenzung und Unverständnis erlebt, meist auch vom angestammten und näheren Umfeld, das ebenfalls zum Teil schwer traumatisiert ist, und mit sich selbst alle Hände voll zu tun hat, somit im eigenen Überlebenskampf keinen «Nerv» mehr hat, wenn dann jemand auch noch so eine komplizierte Krankheit hat, nützt all das Wissen, was es zur Verbesserung und/oder sogar Heilung brauchen würde, eigentlich gar nichts. Man hat in diesem schleichenden Überlebenskampf, der darauf abzielt, nur noch die ständige Abwärtsspirale aufzuhalten, tapfer gekämpft, alles gegeben, alles verloren (materiell und auch an Beziehungen), ist in die Jahre gekommen und kann nicht mehr so ohne Weiteres bei Null anfangen und aufbauen. Schlussendlich ist man irgendwann völlig auf sich alleine gestellt.

Was man bräuchte, nämlich eine «Rundumreparatur/-erneuerung», die individuell alles berücksichtigt und auch noch auf Klienten mit «besonderen Bedürfnissen» (Handicap MCS oder andere) eingeht, gibt es nicht im mannigfaltigen Angebot der „Heiler“. Nicht in Form einer Einrichtung, die solch mehrfach traumatisierte und schlussendlich gestrandete, chronisch erkrankte Menschen ganzheitlich wieder aufpäppelt. Einrichtungen wo Betroffene von ALLEN schlechten Einflüssen abgeschirmt und so stark gemacht werden, dass sie danach wieder in die «freie Wildbahn» entlassen werden können, ohne gleich beim ersten Trigger, dem sie «da draussen» dann wieder begegnen, in die Knie zu gehen.
Es gibt Einzelangebote für seelisch und körperlich Vergiftete, in verschiedenen Bereichen. Man kann versuchen sich vor schädlicher Strahlung zu schützen. Abschirmprodukte sind extrem teuer. Man kann sich biologisch ernähren, auch das ist sehr teuer. Man hört von Blutwäschen (Apherese), die helfen sollen. Sie kosten ein Vermögen! Man kann Psychotherapien absolvieren, die einem gut tun. Die werden aber von den Krankenkassen oft nicht bezahlt (diese bezahlen nur, wenn man zu Psychiatern geht, die haben aber vom ganzen Spektrum keine Ahnung). Man kann Detoxprogramme absolvieren, die man als MCS-Betroffene allerdings mit grösster Vorsicht angehen muss (Herxheimer Reaktion). Auch die sind nicht billig usw. Mit einem kleinen Einkommen oder einer Rente muss man da einfach kapitulieren.

Seelische und körperliche Heilmethoden die allenfalls effektiv wären, weil eben anders als die von der Stange, werden als Luxus gesehen. Auch die Preise der Anbieter hinterlassen oft den Eindruck, dass eine seelische Rundumgesundung nur einer gutverdienenden, finanziell besser gestellten Klientel vorbehalten ist. Für die einen ist es grad hipp, sich den Traumata endlich zu stellen oder eine Blutwäsche präventiv anzugehen, für die anderen wäre es lebensnotwendig. Wahrscheinlich aber, aus eigener Erfahrung und nach Inanspruchnahme unzähliger «Heilungsangebote», ist ohnehin alles nur ein Flickwerk für mehrfach Geschädigte und führt nicht zum dauerhaften Erfolg.

Bei Menschen die unter der Krankheit MCS leiden, sind die sozialen Kontakte derart auf ein Minimum geschrumpft, dass es einer Isolationshaft mit kontrolliertem Freigang gleichkommt. Bemühungen aus dieser Isolation in die Gemeinschaft zu kommen, scheitern oft am Unverständnis der Mitmenschen. Ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft.
Ein Umweltmediziner hat einmal gesagt: «Bei MCS kommt der soziale Tod vor dem körperlichen».
Menschen mit dieser Krankheit müssen persönliche Kontakte mit anderen Menschen, die z.B. Parfüm, Weichspüler oder Waschmittel mit Duftstoffen usw. verwenden, strikte meiden, weil sie sonst unter schweren körperlichen Beschwerden leiden. Selbst wenn man jemanden findet, der einem Treffen zuliebe auf seine geliebten Duftstoffe verzichtet, dann bleibt ein Restrisiko, weil der nicht erkrankte Mensch ja sonst normal lebt und die Duftstoffe überall an ihm haften. An seinen Schuhen, Kleidern, Handtasche, Haaren usw. die dann bei uns Beschwerden auslösen, weil wir eben, ähnlich einer Allergie, auf geringste Spuren reagieren.

Und nein, es hilft eben nur bedingt, dass man sich am PC oder Smartphone, über Skype und WhatsApp oder per Telefon unterhalten kann. Viele glauben, dass Social Media die Lösung sei. Der virtuelle Kontakt ist wenig aufbauend und befriedigend. Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut. Die körperliche Nähe ist es, die wir so sehr vermissen. Der persönliche Kontakt. Das Miteingebundensein «trotz allem». Das Gefühl dazu zu gehören; Bestandteil des DU und ICH oder des WIR zu sein.

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Geborene Einsiedler, die aus Überzeugung ohne Kontakte leben können, sind selten. Für alle anderen sind persönliche Kontakte mit Menschen wichtig, oder sogar lebensnotwendig. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass einem diese Kontakte auch noch gut tun sollten. Solche sind schon für gesunde Menschen nicht immer leicht zu finden. Mit dieser stark einschränkenden Krankheit ist es aber schier unmöglich. Darf man da auch noch wählerisch sein oder muss man dankbar sein, dass sich trotz allem noch jemand mit uns abgibt?

Man bräuchte oft nur EINEN EINZIGEN MENSCHEN, von dem man gesehen und verstanden wird. Hat man den nicht, hat man schlechte Karten.
Ein wohlwollendes Miteinander wäre so wichtig für Menschen wie mich. Es hilft die Selbstheilungskräfte zu unterstützen, und diese braucht man einfach, um durchzuhalten.

Dr. Harald Banzhaf im Gespräch mit Sören Schumann

YouTube Kanal von Verena König, Heilpraktikerin für Psychotherapie, Traumatherapeutin
https://www.youtube.com/@VerenaKonig

http://www.verenakoenig.de